Wer sich mit dem Thema 24-Stunden-Betreuung auseinandersetzt, ist bestimmt schon über Schlagzeilen wie „24h-Betreuungskraft wird ausgebeutet“ oder „Illegale Beschäftigung einer polnischen 24h-Pflegekraft“ gestolpert. Solche Berichte werfen oft ein negatives Licht auf diese Branche – und das leider oft zurecht. Missstände und Ausbeutung sind zweifellos ein Problem, aber die Situation ist nicht immer so düster, wie sie dargestellt wird.
Es wird häufig gesagt, man könne niemandem zumuten, sich rund um die Uhr um eine Person zu kümmern. Auch ich habe diese Vorurteile gehört, und da ich selbst in einem ähnlichen Bereich arbeite, möchte ich aus erster Hand schildern, wie es ist, als persönliche Assistenz tätig zu sein.
Die meisten kennen sicherlich den Film „Ziemlich beste Freunde“, in dem ein junger Mann voller Abenteuerlust einem querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrer zur Seite steht. Auch wenn der Alltag oft weniger dramatisch ist, gibt es tatsächlich eine Berufsform, die diesem Bild entspricht: die persönliche Assistenz. Menschen mit Behinderung wird dadurch ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht, indem Assistentinnen und Assistenten sie bei allen alltäglichen Aufgaben unterstützen – sei es im Haushalt, bei Arztbesuchen, in der Körperhygiene oder bei Freizeitaktivitäten.
Je nach Grad der Behinderung können die Aufgaben auch sehr intime oder anspruchsvolle Tätigkeiten umfassen, wie das Füttern oder Schreiben im Auftrag des Betroffenen. Dabei gibt es unterschiedliche Arbeitszeitmodelle: In vielen Fällen wechselt sich ein Team von Assistenten ab, sodass keine Person durchgängig vor Ort sein muss. Ob man für einige Stunden, einen Tag oder mehrere Wochen am Stück arbeitet, hängt von der Intensität der Betreuung ab. Eines ist aber sicher: Niemand arbeitet tatsächlich 24 Stunden am Tag durch. Es gibt Pausen und Freizeit, die im Tagesablauf fest eingeplant sind.
Eine spezielle Ausbildung ist für die meisten dieser Stellen nicht notwendig, und so können auch Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse beginnen. Eine offene Einstellung gegenüber Körperkontakt und ein gesunder Menschenverstand reichen oft aus, um die notwendigen Fähigkeiten zu erlernen.
Mein Weg in die persönliche Assistenz
Ich selbst bin während meines zweiten Studiums als Quereinsteigerin in die persönliche Assistenz gekommen. Zuvor hatte ich in vielen verschiedenen Branchen gearbeitet, aber nichts davon erfüllte mich wirklich. Auch mein Lehramtsstudium für Grundschulen brachte mir nicht die Erfüllung, die ich mir erhofft hatte. Der stressige Alltag in der Schule führte dazu, dass ich mich ausgelaugt und dauerhaft überfordert fühlte. So entschied ich mich, die Stunden in der Schule zu reduzieren und meinen Schwerpunkt auf die persönliche Assistenz zu legen.
Was macht diese Arbeit so erfüllend?
Für mich dreht sich die persönliche Assistenz um das, was wirklich zählt. In früheren Jobs hatte ich oft das Gefühl, dass viele der alltäglichen Probleme selbstgemacht und im Grunde sinnlos waren. In der Assistenz hingegen geht es darum, einem anderen Menschen zu helfen, ein möglichst erfülltes und glückliches Leben zu führen. Oft dreht sich der Alltag um einfache, aber bedeutungsvolle Dinge, wie die Frage, was man kochen soll oder wie man dem Betroffenen hilft, sein Hobby auszuleben.
Ich habe das Glück, mich mit der Person, die ich betreue, sehr gut zu verstehen. Es fühlt sich eher an, als würde ich eine Freundin besuchen. Wir tauschen uns über das Leben aus, essen zusammen und schauen Serien. Natürlich gibt es auch anstrengende Tage, und ja, ich arbeite oft an Wochenenden oder Feiertagen. Aber selbst nach längeren Abwesenheiten freue ich mich immer darauf, zur Arbeit zurückzukehren. Ein großer Vorteil dieser Arbeit ist auch, dass ich nach mehreren aufeinanderfolgenden Arbeitstagen mehrere Tage am Stück frei habe – etwas, um das mich viele beneiden.
Die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Assistenz
Für mich liegt der Schlüssel zu einer erfolgreichen Assistenz in der Harmonie zwischen beiden Parteien und der Möglichkeit, sich regelmäßig Pausen zu gönnen. Wenn die Chemie stimmt und man genug Zeit hat, sich zu erholen, kann diese Arbeit wirklich erfüllend sein. Zudem konzentriert man sich auf nur eine Person, was die Arbeit wesentlich ruhiger und persönlicher macht. Man lernt den Betroffenen gut kennen, weiß, wie er „tickt“, und worauf man achten muss. Im Vergleich dazu stelle ich mir die Arbeit in einem Pflegeheim viel stressiger vor – für beide Seiten.
Ein Blick auf die 24-Stunden-Betreuung
Auch wenn ich nie in der 24-Stunden-Seniorenbetreuung gearbeitet habe, sehe ich einige Parallelen. Diese Art der Betreuung kann eine wunderbare Erfahrung sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hier appelliere ich vor allem an die Familien: Sie sollten die Situation realistisch einschätzen und genau überlegen, ob und wie eine solche Betreuung organisiert werden kann.
Ist es realistisch, dass eine einzige Person über einen längeren Zeitraum die Betreuung übernimmt? Wie stellt man sicher, dass Pausen und Freizeit gewährleistet sind? Es kann sinnvoll sein, zusätzlich ambulante Dienste oder die Unterstützung von Familie und Freunden in den Alltag zu integrieren. Wenn die Bedingungen stimmen und beide Seiten sich wohlfühlen, wird die Betreuungskraft gerne wiederkommen. Passt es jedoch nicht, wird die Betreuungskraft bald nach einer anderen Stelle suchen – der Bedarf ist groß, und es gibt viele Alternativen.
Ich bin davon überzeugt, dass dieser Beruf in Zukunft noch gefragter sein wird, und nicht nur für Menschen aus Osteuropa. Es wäre wünschenswert, dass es klarere Vorgaben und Richtlinien gibt, um faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Auch wenn in diesem Bereich noch Verbesserungsbedarf besteht, lassen sich Betreuungskräfte heute nicht mehr so leicht ausbeuten. Der Bedarf an qualifizierten Kräften ist einfach zu groß, und sie haben die Möglichkeit, sich eine bessere Arbeitsstelle zu suchen.
Die Bezeichnungen „24h-Betreuung“ oder “24h-Pflege” sind Branchenbezeichnungen, die sich im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert haben. Ich möchte vorsorglich darauf hinweisen, dass mit dem Angebot nicht einhergeht, dass die Betreuungskräfte ununterbrochen arbeiten. Pausenzeiten sind bereits aufgrund von gesetzlichen Vorgaben (u.a. Sittenwidrigkeit) einzuhalten.